Die Krone im Schatten

CardTamer_TC_0002_DarkQueenEtheria2

Im Herzen eines alten Waldes, verborgen vor den Augen der Welt, fand einst ein verlorenes Mädchen Zuflucht.

Etheria war alles genommen worden – ihre Familie, ihre Heimat, ihre Zukunft. Der Krieg, geboren aus hoheitlichem Hochmut, hatte ihr nur Leere gelassen. Auf der Flucht erreichte sie einen entlegenen Ort: einen tiefgrünen Wald, alt wie die Zeit. Er nahm jeden auf, der sich ihm anvertraute. Keine Stimme zeigte den Weg, kein falsches Versprechen durchbrach das Dunkel. Doch prüfte er jeden, der Zuflucht suchte. Sein Begehr war ein reines Herz, und sein kostbarstes Geschenk war die Zeit, in dieser Welt zu verweilen. Wer bestand, blieb nicht allein. Stimmen im Geäst, die sich Bruder und Schwester nannten, flüsterten von einem Pakt, dessen Wurzeln tiefer reichten als der Weltenbaum selbst. Manche sprachen leise von jenen, die ihre Gunst verloren hatten – Verdorrte, so nannte man sie.

Etheria begann zu beobachten, lauschte den Worten des Waldes. Harmonie allen Lebens, so hieß es, sei sein Ziel. Sie hatte überlebt – ein Leben, das sich trotz aller Ungerechtigkeit behauptete. Doch in ihr wuchs mit einer stillen Vorsicht die Erkenntnis, dass reine Absichten allein nicht genügen werden. Jahre vergingen. Die Sehnsucht nach Harmonie blieb, doch alte Erinnerungen an Macht, Schuld und Gier kehrten zurück – und an die Gleichgültigkeit jener, die über das Leben ihrer Familie entschieden hatten. Sie schwor: So wollte sie nicht werden, koste es, was es wolle.

Überleben war nur der Anfang. Etheria wollte nicht länger erdulden, sie wollte verändern. Sie wandte sich der Heilkunst zu – nicht aus Mitgefühl, sondern aus wohlüberlegter Absicht. Die Welt ehrte ihre Erfolge und vermutete Sanftmut, doch sie sah in jeder Wunde eine Gelegenheit. Heilung war Macht – und Macht war nie rein. Vertrauen wurde zur Währung, Heilung zum Tauschmittel. In den stillen Kreisen des Tiefgrünen Pakts flüsterte man ihren Namen mit Respekt – und manchmal mit Vorsicht.


Mit der Zeit spürte sie, wie sich ihre Gabe wandelte. War es Heilung oder nur ein Trugbild? Leiden schwanden unter ihren Händen, doch kehrten viele zurück, nachdem Etheria sie schon beinahe vergessen hatte. Vielleicht war es nie wahre Heilung gewesen? Sie hatte gelernt, Körper und Geist so zu verzaubern, dass es wie Heilung wirkte – solange sie es wollte. Eine Täuschung, die Bindung schuf. Ein Gefallen für einen Gefallen: So wuchs ihr Kreis der Anhänger.

Doch der Wald war alt und weise. Er prüfte Herz und Absicht, und wenn er Zweifel fand, entzog er seine Gaben. Manche, die einst als unerschütterlich galten, waren gefallen – Verdorrte. Etheria aber gab mehr, als sie nahm, und verbarg ihre wahren Pläne hinter gespielter Milde und geschickter Täuschung. Schließlich bestieg sie den höchsten Sitz des Pakts in diesen Landen und wurde gekrönt: Etheria, Königin der Schattenwälder. Damit war ihr Weg besiegelt – sie würde den Wald zu seiner wahren Bestimmung führen, egal wie lange es dauern würde.


Ihre Schritte hinterließen keine Geräusche, ihre Pläne keine Spuren. Um sie sammelte sich ein Zirkel, und sie lehrte ihre Auserwählten für das, was kommen sollte. Das Feuer in ihr – geschürt durch den Schmerz und die Narben ihrer Vergangenheit – verlieh ihr Geduld und Kraft.

Eines Tages würden die, die am höchsten thronten, am tiefsten fallen.

Doch bis dahin bleibt sie verborgen – eine dunkle Königin, im Herzen einer tiefgrünen Enklave.